Anaïs Defago
*1987 Genf, lebt und arbeitet in Lausanne
Mai 2025
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IYI, 2025 Lithografie, Monotypie und Pailletten auf Papier (Unikate)
Auflage: 20
Bildgröße: 68,80 x 41,80 cm
Blattgröße: 68,80 x 41,80 cm
Produktion: Raynald Métraux, Lausanne
CHF 800.00
Anaïs Defagos Aufmerksamkeit gilt den kleinen Details, die uns im Alltag gerne entgehen: der durch Sonnlicht gezeichneten Silhouette auf einer Fassade, der körnigen Struktur einer verputzten Wand, der diffusen Reflexion einer Beleuchtung auf der nassen Strasse, dem schimmernden Schatten einer Glasflasche auf einem Tisch. Ausgehend von ihrer unmittelbaren Umgebung erkundet Defago die Ästhetik des Unspektakulären im urbanen Raum. Ihre Beobachtungen hält sie fotografisch fest und abstrahiert architektonische Details, Lichtspiele, Materialien und Gegenstände durch sorgfältige Bildausschnitte. Im Laufe der Jahre ist eine Sammlung solcher situativen Kompositionen entstanden, die sie als visuelle Referenzen und Inspirationsquellen verwendet.
Für die Ausstellung «NEOGEO – Décalages Féminins» hat Anaïs Defago eine zweifarbige Lithografie geschaffen, die von ihrem fotografischen Blick geprägt ist und unsere räumliche Wahrnehmung herausfordert. Das Motiv ist sowohl klar definiert und kantig als auch unbestimmt und diffus. Die geometrischen Figuren hat die Künstlerin mit einer Vielzahl kleiner weinroter Punkte gezeichnet, die an den Pointillismus in der Malerei, aber auch an die Körnigkeit eines Fotoabzugs oder einer verputzten Wand erinnern. Der kontrastierende Hintergrund in knalligen Orange- bis Fuchsienrottönen wurde im Monotypie-Verfahren gedruckt und zeigt Variationen, die unterschiedliche Lichteinflüsse evozieren und jedes Blatt zum Unikat machen. Eine Paillettenschicht, die Defago wie einen schimmernden Schleier über die Komposition gelegt hat, bricht die strenge Geometrie der architektonisch konnotierten Bildsprache auf und erzeugt eine sinnliche, je nach Lichteinfall changierende Wirkung. Der Titel des Werkes «IYI» spielt auf die abgebildeten Formen an, die an schematisierte Darstellungen der weiblichen Anatomie erinnern.
Die vorwiegend skulpturale und installative Praxis von Anaïs Defago basiert auf dem Wechselspiel von Drei- und Zweidimensionalität und oszilliert zwischen architektonischem Readymade, Minimalismus und szenografischem Effekt. Das Licht, ob natürlich oder künstlich, spielt eine fundamentale Rolle und wird immer wieder in Form gemalter Schatten als Trompe-l’Œil in das Kunstwerk integriert. Auf diese Weise verleiht Defago ihren Werken eine zeitliche Dimension, die die Vergänglichkeit alltäglicher visueller Eindrücke reflektiert und unsere Perzeption zusätzlich schärft. An der Schnittstelle zwischen Malerei, Fotografie und Skulptur lädt uns die Künstlerin auch mit dieser Edition ein, unsere Umgebung mit einem neuen, aufmerksamen Blick zu betrachten und uns von der diskreten Poesie des urbanen Raums verführen zu lassen.