Freitag, 12. Februar 2021 | Edition VFO

Edition Februar: «Material Transformation»

Edition Februar: «Material Transformation»

Die Ausstellung «Material Transformation» widmet sich dem transmedialen Austausch. Unterschiedliche künstlerische Medien und Genres stehen hier im Dialog und befruchten sich gegenseitig: Formen und Konzepte werden von einem Medium ins andere übertragen und verwandelt, es wird Unfassbares materialisiert und Gegenständliches aufgelöst. Mit den neuen Werken von sieben Künstlerinnen und Künstlern war es uns wichtig, vielseitige Sparten wie Musik, Video, Skulptur oder Architektur einzubeziehen. Die Künstler*innen erforschen mit ihren Arbeiten die Druckgrafik als offenes, diskursives Medium und loten ihre technischen und medienspezifischen Möglichkeiten aus.

Luigi Archetti zeigt drei Lithografien seiner zeichnerischen Partituren, die musikalische Schwingungen in visuelle Formensprache transformieren. Der Begriff «Partituren (Interferenzen)» als Titel zur Serie suggeriert eine mehrstimmige Komposition. Schraffuren, Striche und Linien formieren sich zu Verdichtungen und Räumen, krümmen und ballen sich und streben zueinander und voneinander weg. Ob das Blatt für einen akustisch gestimmten Raum steht oder für eine bildliche Umsetzung von Musik – die vielschichtigen Deutungsmöglichkeiten sind den Betrachter*innen überlassen.

Auch die Arbeit von Karin Sander basiert auf etwas nicht Fassbarem, nämlich Google Earth Geodaten zum Matterhorn. Sander, die sich seit vielen Jahren mit dreidimensionalem Druck befasst, war die erste Künstlerin, die 3D-Bodyscans von Menschen anfertigte. Die neue Skulptur «Matterhorn», die den Schweizer Berg als vierfarbigen Polymergips-Druck darstellt, ist eine logische Weiterführung von Sanders Oeuvre, das der traditionellen Klassifizierung in Gattungen wie Malerei, Skulptur oder Druck widerstrebt. Die Besucher*innen der Ausstellung können das Matterhorn nicht nur als Skulptur betrachten, sondern in einer 3D Animation selbst über die Datenmatrix in unseren Räumen fliegen.

Mit ihrer Serie von Unikaten «Kitten in a kitchen» untersucht Elza Sīle die Analogien zwischen Sprache, Malerei und Architektur. Ihre Bilder sind eine spielerische Materialisierung von metaphorischen Konzepten wie die «Grammatik der Malerei» oder die «Konstruktion eines Gemäldes». Das auf Aluminium gedruckte Muster eines architektonischen Schablonenlineals dient als Grundgerüst, auf dem die aus Lettland stammende Künstlerin von Hand Elemente hinzufügt. Ihre Interventionen mit Prägung und Ölfarbe setzt sie wie semantische oder architektonische Einheiten ein, wobei sie im Voraus festgelegten «Bauregeln» folgt.

In umgekehrter Richtung befasst sich Michael Günzburger nicht mit der Darstellung von Unsichtbarem sondern mit der Auflösung von Gegenständen auf der Bildfläche. Seit mehreren Jahren lotet der Künstler die Grenzen der Druckgrafik aus. Zu seinen Projekten gehört die mehrjährige Auseinandersetzung mit dem Drucken von Tierfellen. Mit seiner neuen Arbeit «Chimaira» druckt der Künstler einen Drink, den er gemeinsam mit Dirk Hany von der Bar am Wasser in Zürich entwickelt hat. Der Titel der Arbeit weist auf die Chimäre hin, einem Mischwesen und Vision zugleich. Günzburger zersetzt den Drink in seine Einzelteile und transponiert diese auf das Papier. Die reliefartig anmutende Monotypie wird neben einem Unikat in Übergrösse gezeigt, um die Möglichkeiten der Druckgrafik in monumentaler Manier zu präsentieren.

In ähnlicher Manier setzt sich Christine Streuli mit dem Medium der Malerei auseinander, wobei sie sich der Technik des Flachdrucks bedient, um neue Ebenen, Formate und Ausdrucksformen der Malerei zu erforschen. Die vier Lithografien präsentieren gewaltige Farbexplosionen, auf denen Flächen, Spritzer, Flecken und Linienführungen zu Detailaufnahmen von monumentalen Wandgemälden transformiert werden. Sie sind Begegnungen mit den Welten der Farbe, Geste, Bewegung und Räumlichkeit. In diesem Sinne dekonstruiert Streuli die Malerei in ihre einzelnen Komponenten und reduziert diese auf das Wesentliche. Der Bildraum materialisiert sich hier als eine Schar von Sinneseindrücken, die Anfang und Ende offen lassen.

Das Übertragen von Formen von einem Medium ins andere ist ein wichtiger Bestandteil im Arbeitsprozess von Marius Lüscher. Der Künstler experimentiert mit verschiedenen Drucktechniken, um seine Recherchen rund um Formfindung voranzutreiben und sein künstlerisches Formenrepertoire weiterzuentwickeln. Für die aktuelle Serie hat Lüscher Fragmente von Pinselzeichnungen auf Transparentfolie mit ausgeschnittenen Papierformen kombiniert. Die Kompositionen wurden durch Belichtung auf eine Offset-Platte übertragen und auf unterschiedliche Farbverläufe gedruckt. Durch den Druck bringt Lüscher Malerei, Collage und Monotypie auf eine und dieselbe Ebene.

Der letzte transmediale Ansatz in der Ausstellung ist der von Selina Trepp. Ihr Werk «I’m Speaking» vereint eine Edition von aquarellierten Holzschnitten und einen Film zu einer vielschichtigen, bunten und komplexen Arbeit. Der Titel des Werkes weist auf einen selbstbewussten Fernsehdebatten-Auftritt von Kamala Harris, der neuen Vizepräsidentin der USA. Selina Trepp hat die einzelnen Abzüge der Edition so konzipiert, dass der Mund der Figur jeweils die unterschiedlichen Silben des Satzes «I’m speaking» visuell wiedergibt. Aneinander gereiht, ergeben die Blätter die in der Ausstellung gezeigte Animation. Die Verwendung von Stop-Motion, um ihren Werken Leben einzuhauchen, ist charakteristisch für Selina Trepps Oeuvre.

Wir freuen uns, mit dieser Ausstellung einige neue Präsentationsformen auszuprobieren und hoffen, dass sie sowohl für den intermedialen Diskurs sowie auch für die kreative Auseinandersetzung mit der Druckgrafik neue Perspektiven eröffnet.

Bei Fragen, für weitere Informationen oder Bildmaterial, kontaktieren Sie bitte David Khalat unter der Mailadresse info@edition-vfo.ch.

Photographie: Sabina Bösch