Dienstag, 3. August 2021 | Edition VFO

Edition September: «On Photography - New Perspectives»

Shirana Shahbazi - Berlin (C), 2021, Direkter Flachdruck und Tapeteninstallation (Ausschnitt)

 

On Photography - New Perspectives
Gardar Eide Einarsson, Douglas Mandry, Shahryar Nashat, Alexandra Navratil, Katja Novitskova, Taiyo Onorato & Nico Krebs, Shirana Shahbazi, Una Szeemann
Eröffnung: Zurich Art Weekend, 17. – 19. September, Fr und Sa, 11 bis 20 Uhr; So, 11 bis 18 Uhr
Buchvernissage: Samstag, 18. September ab 16 Uhr

Die Edition VFO (Verein für Originalgraphik) freut sich, die Ausstellung «On Photography – New Perspectives» zu präsentieren. Die Gruppenschau beleuchtet den intermedialen Diskurs zwischen der Fotografie und der Druckgrafik. Alle neuen Arbeiten zeigen, wie sich die Medien des Drucks und der Fotografie gegenseitig inspirieren. Die künstlerische Auseinandersetzung reicht vom Archiv über die Ikonografie, bis hin zu Bewegung, Farbe und Objekt. Die Ausstellung bringt Kunstschaffende aus verschiedensten Schaffenskontexten zusammen, um auf die Notwendigkeit des intermedialen Austausches aufmerksam zu machen. Dabei sind die meisten in der Ausstellung gezeigten Arbeiten, um mit Nathalie Herschdorfer zu sprechen, im Feld der Metafotographie angesiedelt. Die Schau unterstreicht die Wichtigkeit, den digitalen Bereich zu verlassen, um eine neue haptische Auseinandersetzung mit der Fotografie zu ermöglichen.

Drei der in der Ausstellung vertretenen Kunstschaffenden, nämlich Gardar Eide Einarsson, Alexandra Navratil und Douglas Mandry setzen die Heliogravüre ein, um gefundenen Bildern aus verschiedenen Medien, Epochen und Gebieten eine komplett neue Form und Bedeutung zu geben. Sie alle arbeiten mit zahlreichen Formen des Archivs, aus dem sie ihre Bilder aussuchen und diese mit der Technik der Heliogravüre in neuer Form präsentieren.

Mandry spielt mit der Illusion einer neuen Welt, die aber bereits vor ihrer Entstehung schon veraltet ist. Einarsson dagegen reproduziert einst tausendfach gedruckte Buchseiten mit Fotografien für Polizeihandbücher als Ikonografien, die zwischen Appropriation und Pop-Art oszillieren. Und Navratil, inspiriert von einer künstlerischen Recherche zur Farbe und Materialität des Celluloids beim Film, erschafft neue Werke aus Frames einer Originalfilmrolle. Damit reflektieren diese Künstlerinnen und Künstler nicht nur die Medienspezifik von Bildern, sondern auch ihre kulturelle, historische und politische Genese. Una Szeemann hingegen arbeitet mit einer neuen Form der Übersetzung von haptischen Spuren als fotografische Gravuren. Sie überträgt Sandspuren im Prozess der Direktbelichtung der Heliogravüre-Platte als Fotogramm. So zeigen sich auch hier wieder verschiedene experimentelle Möglichkeiten der Nutzung fotomechanischer Prozesse und des Tiefdrucks.

Die innovative Komponente fotomechanischer und auch digital-fotografischer Prozesse ermöglicht heute neue Arten des Drucks. So sehen wir bei den Unikaten von Shahryar Nashat das Spiel mit perspektivischen 3D-Scans. Seine Arbeiten handeln von der Fragilität von Körpern und Objekten sowie der Unmöglichkeit, die Realität adäquat abzubilden. Damit spielt der Künstler mit Verzerrung von apparativen Reproduktionen von Realität. Mit der Wahl des UV-Drucks wählte Nashat einen industriellen Digitaldruck, der jünger als der Inkjet ist. Fragen der erweiterten Realität wirft auch der als Siebdruck produzierte «Deep Fake» von Katja Novitskova auf. Novitskovas leuchtend fluoreszierender Siebdruck ist direkt auf Aluminium gedruckt und zeigt so das aus Fotos generierte und anschliessend vergrösserte Polymer als lebendiges Objekt. Die Entstehung von Bildern, die vermehrt automatisch aus Datenbanken erzeugt werden, manifestiert sich auch weiterhin durch das Raster in seiner digitalen oder materiellen Form.

Die Wichtigkeit der Materialität und der Haptik bei der Verbindung verschiedener Druckformen zeigt sich sehr anschaulich in den Werken von Taiyo Onorato & Nico Krebs. Das Fotografen-Duo arbeitet immer analog und interessiert sich für die technischen Möglichkeiten, die jede Produktionsform als Erweiterung mit sich bringt. Statt ihre seriellen Unikate als Lambda- oder Inkjet-Prints herzustellen, entschieden sich die Künstler für eine Produktion in zwei Drucktechniken, nämlich als direkten Flachdruck und als Inkjet-Print. An diesen Werken lässt sich das wiederholte Experiment mit der Farbe ablesen, welches die Lithografie ermöglicht. Die Iris-Farbverläufe erzeugen eine weitere räumlich-haptische Intensität, die den im Vergleich sonst so perfekt scheinenden Inkjets eine neue handwerkliche und fast malerische Ebene verleihen. Dabei sticht besonders die händisch-apparativ applizierte Lithografie-Farbe in jedem einzelnen Exemplar heraus.

Die Einzigartigkeit jedes gedruckten Exemplars einer Fotografie regt zunehmend viele Kunstschaffende dazu an, mit den Techniken der Druckgrafik zu experimentieren. So begab sich Shirana Shahbazi vor etwa zehn Jahren auf die Suche nach den neuen Möglichkeiten, die ihr der Druck bieten könnte. Shahbazi benutzt seitdem vermehrt die fototechnische Produktion des direkten Flachdrucks, die sie mit abstrakten Farbebenen mischt. So sind auch ihre neuen Arbeiten als mehrfache Wiederholung eines Sujets mit farblicher Überlagerung zu sehen und sind sowohl als Druckgrafik, wie auch als Fotografie zu verstehen. Dazu kommt die installative Komponente ihrer Arbeiten, die durch das Farbenspiel der gedruckten Tapete die Sujets in ein Gesamtkunstwerk integriert.

Der obige Text ist ein Auszug aus dem Essay von David Khalat für die Publikation «On Photography», die ab dem 18. September in der Edition VFO erhältlich sein wird. Der 100-seitige Ausstellungskatalog enthält weitere Beiträge von Nathalie Herschdorfer, Valérie Hashimoto sowie Urs Stahel und wird mit dem Zürcher Verlag About Books herausgegeben. Für weitere Informationen über die Ausstellung, die Kunstschaffenden und die Werke oder um Bildmaterial anzufordern, kontaktieren Sie bitte David Khalat unter, info(at)vfo.ch.