28.09.2024 - 25.01.2025 | Edition September 2024

«Beyond Imagery»

Die Ausstellung «Beyond Imagery» vereint neue Arbeiten von sechs unterschiedlichen Positionen: Mingjun Luo, Beat Zoderer, Olga Titus, Wade Guyton, Laura Arminda Kingsley und Thomas Hirschhorn. In den präsentierten Werken dekonstruieren die Künstler:innen einerseits das klassische Bild als Form der Darstellung, andererseits schaffen sie neue abstrakte Ästhetiken. Zwischen Materialität und Digitalität, Sprache und Form, Rasterung und Schichtung entstehen komplexe Dialoge über Wahrnehmung, Repräsentation, Reproduktion und damit über den Zustand des Bildes in Bezug auf zeitgenössische Druck- und Werkproduktion.


Installationsansicht «Beyond Imagery», Laura Arminda Kingsley, Thomas Hirschhorn, Beat Zoderer, Wade Guyton; Foto: Bernhard Strauss

Die Werke von Mingjun Luo zeugen von ihrer langjährigen Erfahrung in der Tuschemalerei, durch die sie sich umfassend mit der chinesischen Kalligrafie und Landschaftsmalerei befasste. In der Auseinandersetzung mit dieser über tausendjährigen Tradition begann Luo einen graduellen Prozess der visuellen Dekonstruktion von chinesischen Schriftzeichen. Die schwarzen Punkte der drei Lithografien der neuen Edition «A travers le temps» sind das Resultat dieser abstrahierenden Formreduktion. Die Punkte bewahren einerseits ihre ursprüngliche Bedeutung und können andererseits etwas Konkretes in unser Denken einschreiben.


Installationsansicht «Beyond Imagery», Mingjun Luo, «A travers le temps» (1-3), je 53 x 43 cm; Foto: Bernhard Strauss

Die Lithografien Beat Zoderers zeichnen sich durch geometrische Elemente – Quadrate und Linien – aus, die sorgfältig auf die lithografischen Steine gezeichnet und geklebt wurden. Eine Besonderheit dieser Serie ist die Verwendung von Deckweiss, das nach dem Farbdruck nochmals über die farbigen Sujets gelegt wurde. Dadurch entsteht ein spannendes Spiel zwischen Transparenz und Opazität, in dem sich die Farben auf unerwartete Weise verändern und überlagern. Die daraus resultierenden visuellen Effekte machen den Druckprozess nicht nur zu einem Mittel der Bildproduktion, sondern zu einem entscheidenden künstlerischen Werkzeug, das das Endergebnis massgeblich beeinflusst.


Installationsansicht «Beyond Imagery», Beat Zoderer, «TEKTUR» (I-IV), je 41 x 39 cm; Foto: Bernhard Strauss

Die Edition von Olga Titus besteht aus drei schillernden Kompositionen, die durch das Verfahren des Lentikulardrucks faszinierende Effekte von Tiefe und Bewegung erzeugen. Zum ersten Mal hat die Künstlerin auf ihre Lentikularbilder mit einem UV-Druck eine zusätzliche Ebene hinzugefügt und damit das Spannungsfeld zwischen digitaler und analoger Ästhetik ins Zentrum gerückt. Während sie ihre Collagen am Computer konzipiert, legt Titus genauso viel Wert auf die materielle Umsetzung ihrer Werke. Indem sie Licht und Bewegung miteinbezieht, kreiert sie fluide Bildwelten, die unsere vielschichtige Wahrnehmung herausfordern.


Installationsansicht «Beyond Imagery», Olga Titus, «Shapeshifter» (1-3), je 40 x 26 cm; Foto: Bernhard Strauss

Wade Guyton, der mit seinen grossformatigen Tintenstrahldrucken auf Leinwand die Grenzen der Bildreproduktion und digitaler Verfahren auslotet, hat für die Edition VFO zwei neue Fotolithografien produziert. Das erste Werk mit dominierenden Rot- und Grüntönen ist das Bild eines nassen Gemäldes, das aus Guytons Epson-Drucker kommt, mit tropfender Tinte, dem grellen Licht der Studiolampen und den Schlieren des Künstlers. Das zweite Werk basiert auf dem gleichen Grundbild wie das erste, es wurde jedoch mit einer völlig neuen Farbpalette realisiert. Die Arbeiten spiegeln Guytons Ansatz der Bildfindung wider, der die Wiederverwendung und Neukontextualisierung vorhandener Motive beinhaltet. Sie reflektieren auch seine Auseinandersetzung mit dem Medium Druck, das seine konzeptuellen Anliegen mit der physischen Kunstproduktion verbindet.


Installationsansicht «Beyond Imagery», Wade Guyton, «Untitled» und «Untitled» , je 100 x 70 cm; Foto: Bernhard Strauss

Laura Arminda Kingsleys Lithografie besteht aus fein abgestuften Druckschichten, die grafische Linien, malerische Farbverläufe und kosmisch anmutende Muster miteinander in Einklang bringen. Begleitet wird die Arbeit von einem Gedicht der Künstlerin, dessen erste Worte «At the time of the first flowers» der Arbeit ihren Titel verleihen. Die Verse beziehen sich auf eine längst vergangene Zeit, als es noch keine hierarchischen, sozialen Konstruktionen wie «race» und Gender gab. Mit diesem visuell-textuellen Werk erforscht Kingsley aus einer «deep time»-Perspektive die Beziehung der Menschen zueinander und zu anderen Lebensformen auf der Erde.


Installationsansicht «Beyond Imagery», Laura Arminda Kingsley, «At the time of the first flowers», 42,1 x 35,8 cm und «We Contain Multitudes», 37,2 x 35,9 cm; Foto: Bernhard Strauss

Thomas Hirschhorn ist bekannt für seine radikale Ästhetik und die Verwendung einfacher Materialien. So benutzte er auch für seine neue Edition die für ihn typischen Verfallsobjekte, wie einen Einweg-Kleiderbügel und Scotch Tape. Die Quelle für diese Arbeit liegt bei den amerikanischen «Dry Cleaner-Kleiderbügeln», an denen die sauberen Kleider hängen. «WE ❤ OUR CUSTOMERS» steht zum Beispiel auf den dreieckförmigen Papieren, die die Draht- oder Plastik-Aufhänger verzieren. Die mit dem Schriftzug «I ❤ Robert Walser» illustrierten Arbeiten verbinden zwei Aspekte von Hirschhorns Schaffen: die Wertschätzung des Einfachen und Geistigen sowie eine alltägliche Hommage an das literarische Erbe Robert Walsers.


Installationsansicht «Beyond Imagery», Thomas Hirschhorn, Edition «Kleiderbügel», 22 x 41 x 0,3 cm; Foto: Bernhard Strauss

Die Ausstellung «Beyond Imagery» lädt dazu ein, die zeitgenössische Bildproduktion aus verschiedenen Perspektiven zu erkunden. Die unterschiedlichen Herangehensweisen und Materialien entfalten ein breites Spektrum an Möglichkeiten, das Bild als künstlerisches Medium neu zu interpretieren. Ob durch die experimentelle Arbeit mit Drucktechniken, die Dekonstruktion von Schrift und Form oder die innovative Verbindung von digitaler und analoger Ästhetik – jede Arbeit trägt auf ihre Weise dazu bei, das komplexe Verhältnis von Wahrnehmung und Repräsentation auszuloten. So entstehen nicht nur neue Seherfahrungen, sondern auch tiefgreifende Reflexionen über das Wesen des Bildes selbst.

Für Bild- und Presseanfragen wenden Sie sich bitte an David Khalat unter info@vfo.ch.

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